Kommen wir zu Punkt Nummer 2 der immer wieder für Kopfschmerzen sorgt. "Das ist kein richtiger Quattro". Gemeint ist, dass der TT aufgrund seiner Quermotor Bauweise auf ein Haldex System setzt und nicht auf das klassische Torsen System. Zunächst sei gesagt, dass selbstverständlich auch Haldex ein "echter" Quattro Antrieb ist. Quattro ist lediglich ein Marketingbegriff von Audi, welcher den Allrad Versionen der Fahrzeuge zugeordnet wird. Für viele Leute ist auf Basis langjähriger Erfolge der Allrad mit Torsen-Differential das Synonym für Quattro, kann ich auch verstehen, jedoch ist es einfach falsch, anderen Systemen diesen Rang abzusprechen. Kleiner Klugscheißer Fakt am Rande: Die ersten Audi Quattros hatten überhaupt kein Torsten-Differential, dieses wurde erst mit dem Modelljahr 1987 eingeführt, nach der Logik ist also auch jeder Torsen Audi kein "echter Quattro". Aber nun genug von der Begriffsschlacht, stürzen wir uns nun einmal auf die allgemeinen Meinungen und Vorurteile von den Beiden Quattro Systemen in Audi Fahrzeugen. Warum schreibe ich explizit Audi Fahrzeuge? Weil die folgenden Zeilen selbstverständlich nicht für alle Fahrzeuge gelten, sondern explizit auf Audis bezogen sind. Scherzhaft ist oft von "Audisteer", ein Schachtelwort, welches aus dem englischen Begriff für Untersteuern (understeer) und dem Markennamen Audi heraus geboren wurde. Und ja, auch ich werde hier keine Halbwahrheiten verbreiten, Audis neigen zum untersteuern. Das Problem ist, dass oft behauptet wird, dass Haldex Audis viel schlimmer untersteuern, was faktisch falsch ist. Das untersteuern hat im ersten Moment nichts mit dem Allradantrieb zu tuen, sondern mit der Gewichtsverteilung und hier haben wir einen enormen Nachteil bei Torsen Fahrzeugen. Hier ragt der Motor Längs über die Vorderachse, der Wagen agiert also äußerst kopflastig und schiebt über die Vorderräder. Dies konnte ich selbst einmal erleben, als ich die Möglichkeit hatte einen Audi RS4 B7 im Rahmen der Touristenfahrten auf der Nordschleife zu bewegen. Gleich vorweg, ich möchte hiermit keinen RS4 B7 Fahrer angreifen, der Wagen ist ein absolutes Gedicht und einer meiner all-time favourites, um meinen Punkt klar zu machen, komme ich um diesen Vergleich jedoch nicht herum. Man kann den RS4 mit Gewalt zum übersteuern zwingen, dies fällt mit guten Reifen und trockenen Untergrund jedoch eher schwer, vielmehr untersteuert der Wagen beim Versuch über einen Lastwechsel das übersteuern einzuleiten. Dies ist nicht nur mein Eindruck, selbst Walter Röhrl himself, hat schonmal gesagt, dass die Quattros schwer zu fahren waren und man diese mit aller Gewalt ins übersteuern zwingen musste, damit diese eben nicht untersteuern. Das mag bei einem Rallye Fahrzeug auf losen Untergrund mit einem Genie am Steuer perfekt hinhauen, mit einem Straßenfahrzeug fühlt sich dies unterm Strich jedoch eher unharmonisch an. Hier sehe ich einen riesigen Vorteil für Haldex Audis. Ich denke, wir sind uns alle einig, das driften Spaß macht, jedoch auch wertvolle Zeit und Schwung auf dem Track raubt. Haldex Audis haben aufgrund Ihrer Quermotor Bauweise den Vorteil, dass der Motor quer AUF der Vorderachse sitzt und nur geringfügig hervorsteht. Versteht mich bitte nicht falsch, auch dies ist kopflastig, ein TTRS 8J hat eine 60:40 Gewichtsverteilung, unterm Strich herrscht hier jedoch eine deutlich geringere Neigung zum untersteuern, was sich auf dem Track in einem hervorragenden, neutralen Fahrverhalten widerspiegelt. Einziger Wermutstropfen ist die maximale 50/50 Kraftverteilung des Haldex Systems. Aber auch hier gestaltet sich kein wirklicher Nachteil draus, der Allrad funktioniert so wie er soll, man merkt ihn nämlich nicht, man hat immer Traktion und (fast) immer Schub von den Hinterrädern, diese koppeln auf dem Track nämlich nur auf den geraden ab, davon merken tut man allerdings nichts. Aber auch hier kann man nachbessern, was mich zum nächsten Kapitel führt...
Out of the box sind die wenigsten bezahlbaren Fahrzeuge ernsthaft für die Rennstrecke geeignet, sodass für eine geplante Nutzung als Tracktool ohnehin einiges verändert wird / werden muss und hier rennt man beim TT 8J offene Türen ein. Damit wir uns nicht falsch verstehen, natürlich kann man einen Audi TT, insbesondere den S & RS, ab Werk auf der Rennstrecke benutzen und eine tolle Zeit haben, dennoch wird man hier bei einigen Komponenten schnell an die Grenzen stoßen, allen voran Audis desaströsen Bremsanlagen. Greifen wir zunächst mal das vorausgegangene Kapitel "Quattro" auf. Ein riesiger Vorteil des Haldex Systems ist seine enorme Modifzierbarkeit. Haldex Controller ermöglichen es on the fly die Kraftverteilung der Achsen zu verändern, Sperrdifferentiale wie "Haldex LSD" oder "Sperrdex" ermöglichen es ein Fahrerlebnis zu kreieren, was den brillanten Allrad Systemen von Subaru & Mitsubishi in seiner Funktionsweise in nichts nachsteht. Man kann sich somit den Allrad Antriebs seines TTs so kreieren, wie er einem selbst am liebsten ist. Ich persönlich bin ein Freund davon das Haldex System unberührt zu lassen, allenfalls einen Haldex Comeptition Controller zu verbauen, um kleine Anpassungen vorzunehmen, denn von Werk aus funktioniert das System super auf dem Track und ermöglicht ein fast völlig neutrales Fahrverhalten. Auch in Sachen Leistung sind die meisten Motoren im TT äußerst standfest und lassen sich auf wesentliche höhere Outputs tunen als von Werk aus vorgesehen. Die Bremsenproblematik, die ironischerweise insbesondere die RS Modelle plagt sollte auf jeden Fall adressiert werden, andere Scheiben & Belege sowie Stahlflex Leitungen können hier Wunder bewirken, sodass die Bauchschmerzen bezüglich mangelnder Bremsperformance der Vergangenheit angehören. Ich selbst bin noch mit dem Serien Setup unterwegs, da die Bremse (noch) funktioniert und ich kein Freund davon bin Geld zu verschenken. Sollte die jetzige Bremse jedoch Ihre Verschleißgrenze erreicht haben werde ich mich ebenfalls nach Aftermarket Lösungen umschauen und werde meine Entscheidungen und Erfahrungen selbstverständlich im Forum teilen.
Was ist hiermit gemeint? Mir ist oft aufgefallen, dass Leute welche aktiv Kritik an einem Audi als Tracktool üben, diesen fahren wie einen z.B. BMW. Natürlich untersteuert der Audi dann, natürlich fühlt er sich dann nicht gut an und natürlich wirkt er dann schrecklich umdynamisch im Vergleich mit einem z.B. 1er M-Coupe.
Man muss jedoch umdenken, Adaptionsfähigkeit lautet das Zauberwort. Diese Autos müssen anders gefahren werden, auch ich hatte hier Anfangs so meine Probleme, aber nach einigen Runden auf dem Track hat man den Dreh schnell raus. Der Trick liegt, ganz vereinfacht gesagt darin, früher zu bremsen bzw. rollen lassen, viel mit Schwung arbeiten, diesen in die Kurve reintragen und dann Allrad Antrieb schon wieder kurz nach dem Scheitelpunkt ans Gas zu gehen. Mit dem richtigen Setup z.B. bei den Jungs von Raeder-Motorsport entwickelt sich ein TT zu einer wahren Waffe für den Track. Ich hatte schonmal die Ehre in einem dort abgestimmten TT mitzufahren und es war eine reine Offenbarung. Das soviel Potential in diesem Chassis steckt hätte selbst ich nicht gedacht, gerade hier kommt dem TT 8J die extrem Steife Karosserie zu Gute (welche ein Golf übrigens nicht in diesem Maße hat :P) .
Wem habe ich mit diesem Beitrag geholfen? Wahrscheinlich nicht vielen, allenfalls hoffe ich, dass ihr etwas Freude am lesen hattet und selbstverständlich ist jeder zu einer offenen Diskussion eingeladen. Ich selbst beschäftige mich nun schon mehrere Jahre mit dem 8J und habe selber 2 Stück in der Garage stehen. Über die Zeit und mein Engagement im Amateur Motorsport und diversen TT Clubs habe ich viele interessante Gespräche führen können, auch mit Leuten die aktiv bei der Entwicklung des Fahrzeugs dabei waren. Dies, ein grundsätzliches technisches Verständnis und mein enormes Interesse an dieser Baureihe haben es mir ermöglicht eine ganz andere Sicht der Dinge zu erlangen. Ich hoffe einige Vorurteile beseitigt zu haben und dem ein oder anderen vielleicht auch etwas beigebracht zu haben, was ihm vorher gar nicht so bewusst war. Aber nun zu den Leuten welche eigentlich das Hauptpublikum für diesen Beitrag sein sollen. Menschen die Spaß am Motorsport haben und kostengünstig ein Auto für den Track bauen möchten. Sicherlich sind BMW E36, Porsche 987 & Co. hier die optimale Wahl. Dies sind brillante Fahrzeuge, welche eine Menge Fahrspaß garantieren. Aber wenn es mal etwas anderes sein darf, was ein völlig anderes Fahrerlebnis bietet, eine Facettenreiche Motorenauswahl und geringe Unterhaltskosten ist der TT 8J ein heißer Tipp, welcher jedoch längst kein Geheimtipp mehr ist. Regelmäßigen Besuchern der Touristenfahrten wird aufgefallen sein, dass man dort ständig umgebaute TTs der Baureihe 8J antrifft und dies kommt nicht von ungefähr.
Gerne bin ich bereit alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten und falls jemand mal eine Kaufberatung benötigt bin ich natürlich auch der letzte der nein sagt.
Vielleicht wäre dies mal eine Idee für einen zukünftigen Thread.
Ansonsten wünsche ich euch allen einen schönen Abend!